Gute Pflege. Manche Reparatur. | Handwerkskammer Frankfurt (Oder) Region Ostbrandenburg

Zu Besuch im Handwerk Gute Pflege. Manche Reparatur.

KFZ-Elektrikmeister Siegfried Puls: Nach einem halben Jahrhundert im Meisterstand, will es der einstige Vize-Innungsobermeister ruhiger angehen lassen. Ein Gespräch über handgewickelte Spulen, Ersatzteiljagden und E-Autos.

[vc_row][vc_column width=“2/3″][vc_column_text]Meisterjubiläum: Nach 50 Jahren als Meister denkt KFZ-Elektriker Siegfried Puls aus Güldendorf darüber nach, kürzer zu treten. Lange engagierte er sich in der KFZ-Innung Frankfurt Süd. Die hatte nach 1990 120 Mitglieder. Mit Unruhe beobachtet er, dass immer weniger Betriebe sich in der Selbstverwaltung des Handwerks engagieren.[/vc_column_text][vc_single_image image=“124104″ img_size=“large“][vc_column_text]DHB: Ein halbes Jahrhundert im Meisterstand. Wie fühlt sich das an?

Siegfried Puls: Ein wenig bedrohlich. Finden Sie nicht? Irgendwie fühlt man sich wie ein Dinosaurier. Die sind ja bekanntlich ausgestorben. Aber ich bin noch da.

DHB: Jahrzehntelang hatten Sie mit der Elektrik von Verbrennungsmotoren zu tun. Hätten Sie gedacht, dass Sie nochmal eine technische Revolution erleben werden, wie die E-Mobilität?

Siegfried Puls: Mit den Revolutionen ist das so eine Sache. Es gibt gute. Und es gibt schlechte. Das Dumme ist, dass erst die Geschichte darüber urteilt, was Revolutionen gebracht haben. Mit den E-Autos wird es das Gleiche sein.

DHB: Haben Sie schon mal in einem E-Auto gesessen. Das leise Anrollen. Die Beschleunigung eines Tesla…

Siegfried Puls: …das viele bling, bling im Cockpit. Ja, ja ich weiß, dass man sich da schon mal als Astronaut der Straße fühlen kann (lacht). Sicher ist das Elektro-Auto eine faszinierende Technik. Eine technische Revolution ist es nicht. Batteriebetriebene Autos gibt es schon lange. Wenn auch als Spielzeug im Kinderzimmer. Jetzt sind sie nur eine Nummer größer und wir sitzen drin. Und haben noch eine Menge Herausforderungen zu meistern.

DHB: Was meinen Sie?

Siegfried Puls: Am Anfang ließen uns die Firmen nicht mal an Hybrid-Fahrzeuge ran. Wir durften die stilllegen, dann wurden die Fahrzeuge abgeholt und die Kunden warteten ewig auf ihre reparierten Fahrzeuge. Mit den Elektroautos ist es ähnlich. Vieles ist ungeklärt. Was ist bei einem Unfall? Feuerwehr und Rettungsleute trauen sich an die Autos bis heute nicht richtig ran. Was, wenn das Ding unter Strom steht? Wie kriegen sie Verletzte da raus? Wie und mit was löscht man, wenn es brennt? Da ist eine Menge Ausbildung und zusätzliches Wissen notwendig.[/vc_column_text][vc_single_image image=“124105″ img_size=“large“ add_caption=“yes“][vc_column_text]

„Der ökologische Fußabdruck eines E-Autos ist im Moment nicht besser, als der eines anderen PKW“

DHB: Welche Herausforderungen sieht der KFZ-Elektrikmeister?

Siegfried Puls: Na ja, zuerst mal die, die alle sehen: Wir KFZ-Elektriker werden mehr zu tun bekommen und wahrscheinlich bald KFZ-IT-Experten beschäftigen müssen. Genau genommen sind das ja keine Autos mehr, sondern Computer auf vier Rädern. Viel Steuerungs- und Regelungs-, wenig Antriebstechnik. Die Ausbildung der KFZ-Spezialisten der Zukunft wird sich radikal ändern. Die Frage wird nicht sein, wie repariert man einen Verbrennungsmotor, sondern was mache ich mit einem Elektromotor oder einer Batterie, die nicht mehr will.

DHB: Klingt nicht begeistert?

Siegfried Puls: Ich bin Pragmatiker. Und noch nicht sicher, ob die E-Autos wirklich etwas zum Klimaschutz beitragen können. Das tun, glaube ich, eher kluge Verkehrskonzepte mit dem Ziel weniger Autos zu produzieren, die dann aber effektiv zu nutzen. Im Moment ist der ökologische Fußabdruck eines E-Autos nicht viel besser als der, herkömmlicher Fahrzeuge. Wenn wir vom ökologischen Fußabdruck reden, darf man ja nicht nur auf das gucken, was aus dem Auspuff kommt.

DHB: Als Sie geboren wurden, kannte man noch nicht einmal den Begriff Ökologie?

Siegfried Puls: Stimmt, ich bin 1945 geboren. Im Februar.

DHB: Das war ein eisiger Winter.

Siegfried Puls: Ja, und meine Mutter musste nach meiner Geburt flüchten. Ein Treck wurde zusammengestellt. Hinter Beeskow war ich schon blaugefroren. Der Treck wurde geteilt. Wir kamen Eichwalde. Das war unser Glück. Denn von den anderen, die nach Halbe geschickt wurden, kam kaum einer zurück.

DHB: Wann kam ihre Mutter wieder nach Hause?

Siegfried Puls: Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung. Güldendorf bestand damals ja nur aus wenigen Höfen, war nicht so dicht bebaut wie heute. Zwei Jahre später kam mein Vater aus dem Krieg zurück. Er lebte noch 14 Tage. Dann starb er an Typhus. Ich habe keinerlei Erinnerung an ihn. Ich war noch zu klein.[/vc_column_text][vc_single_image image=“124106″ img_size=“large“ add_caption=“yes“][vc_column_text]

„Der Lehrmeister passte auf, dass wir in Westberlin nicht stiften gingen“

DHB: Wir kamen Sie zum Beruf des KFZ-Elektrikers?

Siegfried Puls: Ich könnte jetzt sagen, wie die Jungfrau zum Kinde. Aber ganz so war es nicht. Meine Mutter hatte neu geheiratet. Und mein Stiefvater zeigte mir das eine oder andere, wenn auf dem Hof was zu machen war. Er weckte mein Interesse. Nicht die Schule. Überhaupt mussten damals acht Klassen reichen. Danach hieß es eine Lehre machen, Geld verdienen. Ein Nachbar hatte uns Adressen von ein paar Betrieben zu gesteckt. Und die klapperte ich mit meiner Tante ab. Die Firma Palukat, die damals Elektromaschinen baute, aber auch Fahrzeuge reparierte, war die erste, die ja sagte. Also, es war Zufall. Wenn eine Tischlerei ja gesagt hätte, wäre aus mir vielleicht ein Tischler geworden. Man hatte damals keine Träume. Man nahm, was man bekam – die meisten jedenfalls.

DHB: Das war 1959?

Siegfried Puls: Ja, und ich war einer von drei Lehrlingen. Ich hatte Glück. In dem Jahr machte ich auch meinen Mopedführerschein. Am Nachmittag nach der Prüfung hatte mich die Polizei das erste Mal am Wickel.

DHB: Wie war die Berufsausbildung?

Siegfried Puls: Zur Berufsschule mussten wir damals bis nach Burg bei Magdeburg fahren. Nur dort gab es eine Schule für Autoelektrik. Die meisten LKW fuhren damals noch mit Winker.

DHB: Und sie mussten immer durch Westberlin, um nach Burg zu kommen…

Siegfried Puls: Das stimmt. Weswegen der Lehrer auf der Rückreise immer mitfuhr und aufpasste, dass keiner von uns ausstieg. Mitten in meine Lehre fiel ja der Mauerbau. 1962 hatte ich dann endlich den Gesellenbrief.

DHB: Wollten Sie sich eigentlich gleich selbstständig machen?

Siegfried Puls: Der Wunsch war da. Aber es war ja klar, dass man dafür erst mal den Meister brauchte. Außerdem stand mir noch der Wehrdienst bevor. Ich wartete die Einberufung ab und ging erst danach zur Meisterschule. 1970 bekam ich den Titel.

DHB: Und beantragten sofort ein Gewerbe?

Siegfried Puls: Ja. Mehrmals. Aber alle Anträge wurden abgelehnt. Also arbeitete ich bei Palukat weiter. Und wartete.

DHB: Und 1977 erhielten Sie plötzlich eine Gewerbeerlaubnis?

Siegfried Puls: Na ja, das war auch für mich überraschend. Aber ich profitierte wohl von der schlechten Wirtschaftslage. Die Regierung wollte Dampf aus dem Kessel lassen. Und brauchte plötzlich das Handwerk, weil die Leute ihre Fahrzeuge nicht mehr repariert bekamen.

„Ich glaube, dass Innungen den Handwerkern einen Mehrwert bieten“

DHB: Und dann haben sie in der Garage auf ihrem Hof angefangen?

Siegfried Puls: Im Prinzip ja. In Frankfurt (Oder) baute man so eine Handwerkerstraße. Die wollten eigentlich, dass ich dahin gehe. Aber ich entschied mich dagegen. Unsere beiden Töchter waren noch sehr klein und meine Frau, die Chemielaborantin war, sollte in den Betrieb mit einsteigen. Da schien es praktischer, wenn wir die Werkstatt direkt beim Haus hatten.

DHB: Mit welchen Erinnerungen blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?

Siegfried Puls: Im Rückblick kommt uns die Zeit vor wie eine ewige Jagd nach Ersatzteilen. Als Suche nach Betrieben, um Dinge reparieren zu lassen oder Spulen neu zu wickeln. Batterien gab es nur auf Zuteilung. Die meisten waren vorbestellt, also hatten sie eigentlich nie welche. Woher welche besorgen? Ich weiß nicht mehr, wie oft wir das Schild raushingen: Heute geschlossen. Wegen Materialbeschaffung!“

DHB: Haben Sie sich auch deshalb früh in der KFZ-Innung engagiert.

Siegfried Puls: Ja, in der DDR war es wichtig, dass die Handwerker sich gegenseitig unterstützten und gemeinsam auch mal Druck machen konnten. Nach der Wende hatten sich 120 Mitglieder zur Innung Frankfurt Süd zusammengeschlossen. Ich war lange Zeit stellvertretender Innungsobermeister. Heute glauben viele junge Meister nicht mehr an den Wert der Innung. Ich glaube aber, das eine Innung nach wie vor einen Mehrwert bieten kann. Nur müssen die Mitglieder selbst bestimmen, wie der aussehen soll. Gerade im Weiterbildungsbereich E-Mobilität kann eine Innung unheimlich viel machen.

DHB: Sie haben in der DDR für 14 Autohäuser gearbeitet und sich auf die Wartung von Skoda-Elektrik spezialisiert…

Siegfried Puls: Ja, das stimmt. Aber eigentlich war die DDR da schon am Ende. Und interessanterweise verschwanden die alten Skodas mit zuerst von unseren Straßen, während Wartburg und Trabant heute noch fahren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich den letzten MB 1000 oder S 100 gesehen habe. Nicht mal als Oldtimer.[/vc_column_text][vc_single_image image=“124108″ img_size=“large“ add_caption=“yes“][vc_column_text]

„Als Oldtimer weiß ich, was Oldtimer brauchen“

DHB: Wie erlebte ein Autoelektriker die Wende?

Siegfried Puls: Als Arbeit ohne Ende. Viele DDR-Fahrzeuge hatten z.B. keine Warnblinkanlage. Und es war ja nicht so, dass alle sofort auf Westwagen umsattelten. Wer weiterfahren wollte, musste mit der Wende nachrüsten. Also hatten wir gut zu tun.

DHB: So gut, dass die alte Garage bald nicht mehr ausreichte?

Siegfried Puls: Ich habe investiert und eine kleine neue Halle gebaut. Aber nicht in dem Stil, wie es einige Berater mir einreden wollten. Da wäre es um Millionen gegangen. An denen die dann satte Provisionen kassiert hätten. Nee, ich bin da eher der Typ, der kleinere Brötchen bäckt. Mehr als drei Mitarbeiter und einen Lehrling habe ich nie gehabt. Aber mit denen habe ich mir den Ruf erarbeitet, mit dem ich nun in Rente gehe: Klein, aber fein.“

DHB: Wäre eine Übergabe der Firma in Frage gekommen.

Siegfried Puls: Es ist nicht so, dass wir es nicht versucht hätten. Aber es gab da mehrere kommunale Entscheidungen, die das sehr schwierig machten. Ursprünglich sollte die Einfahrt zum Betrieb nicht über den Hof sein, sondern direkt von der Straße. Das ging nicht, weil da ursprünglich eine Eisenbahnlinie geplant war, die dann doch nicht realisiert wurde. Also musste ich den Betrieb in den Hof verlegen und die Hallen zum Hof hin öffnen.  Dann wurde das Gebiet hier als Mischgebiet ausgewiesen und viele Häuser gebaut, die immer näher an unseren Betrieb heranrückten. Irgendwann war gar kein Platz mehr da, um zu erweitern. Und auch ein Übernehmer aber will ja seinen Betrieb nicht auf dem Hof eines Fremden führen.

DHB: Und die Töchter?

Siegfried Puls: Haben sich mit den Schwiegersöhnen anders orientiert. Einer ist zwar KFZ-Mechatroniker. Aber er hat einen guten Job in Berlin. Wir wollten da auch nie Druck aufbauen. Alles hat eben seine Zeit.

DHB: Können Sie das? In Rente gehen?

Siegfried Puls: Na ja, solange meine Hände noch können, brauchen sie was zum Basteln Und der Kopf was zum Arbeiten. Ich werde mich jetzt ein paar Oldtimern widmen. In der Werkstatt steht gerade der Traktor des ehemaligen Bürgermeisters, eine alte Jawa, eine Zündapp. Auch ein Käfer, Baujahr 1956. Wenn man selbst ein Oldtimer ist, weiß man, was Oldtimer brauchen. Gute Pflege. Und manche Reparatur.[/vc_column_text][vc_single_image image=“124109″ img_size=“large“ add_caption=“yes“][/vc_column][vc_column width=“1/3″][cq_vc_employee name=“schwanitz“][vc_message icon_fontawesome=“fa fa-map-marker“]Siegfried Puls Fahrzeugelektrik
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