Werdegänge begleiten | Handwerkskammer Frankfurt (Oder) Region Ostbrandenburg

Allgemein Werdegänge begleiten

[vc_row][vc_column width=“2/3″][vc_column_text]Seit 2002 ist der Meister im Maler- und Lackierhandwerk Peer Gossert Ausbilder. Bei den Lacken und Farben haben sich seitdem Revolutionen vollzogen. Im folgenden Interview spricht er über Lösungen und Lösungsmittel, gute und weniger gute Lehrlinge.  [/vc_column_text][vc_single_image image=“125163″ img_size=“large“][vc_column_text]DHB: Herr Gossert, als ich meinem Enkel neulich erzählte, das ich zu einem Lackierlehrer fahre, sagte …

[vc_row][vc_column width=“2/3″][vc_column_text]Seit 2002 ist der Meister im Maler- und Lackierhandwerk Peer Gossert Ausbilder. Bei den Lacken und Farben haben sich seitdem Revolutionen vollzogen. Im folgenden Interview spricht er über Lösungen und Lösungsmittel, gute und weniger gute Lehrlinge.

 [/vc_column_text][vc_single_image image=“125163″ img_size=“large“][vc_column_text]DHB: Herr Gossert, als ich meinem Enkel neulich erzählte, das ich zu einem Lackierlehrer fahre, sagte er: Au fein, frag ihn doch bitte einmal, was ein Lackaffe ist?

Peer Gossert: (lacht) Also wenn wir das Wort ‚Lackaffe‘ benutzen, dann meinen wir einen, der das Lackieren richtig drauf hat. So einen richtigen Fachmann halt. Wir meinen also definitiv nicht den arroganten und eitlen Angeber, für den der Volksmund diesen Begriff geprägt hat.

DHB: Ist es eigentlich einfacher Kindern etwas zu erklären, oder jungen Erwachsenen?

Peer Gossert: Nicht unbedingt. Aber die einfachste und bildhafte Erklärung ist sicher immer die beste. Wenn mich ihr Enkel also fragen würde, warum ein wasserbasierter Autolack bei Regen nicht abgewaschen wird, müsste ich mir schon echt was überlegen. Die dahintersteckenden chemischen Prozesse sind naturgemäß nicht so einfach zu erklären.

DHB: Wer Lackiererin oder Lackierer werden möchte, sollte also unbedingt ein wenig von Chemie verstehen?

Peer Gossert: Ein bißchen Physik wäre auch vorteilhaft.

DHB: Wie war das in Ihrer Jugend. Haben Sie sich für Physik und Chemie interessiert?

Peer Gossert: Wie jeder Jugendliche eher mäßig. Mich interessierten aber Autos, Fahrzeuge. Ich wollte KFZ-Mechaniker werden. Da kommst Du nicht umhin, Dich für Physik interessieren zu müssen. Kraftübertragung, Drehmoment.

DHB: Sie hätten auch Friseur werden können. Ihre Eltern hatten einen eigenen Salon in Buckow.

Peer Gossert: Das stimmt. Aber irgendwie konnte ich mich dafür nicht begeistern. Klar hätten sie es gern gesehen, wenn ich übernommen hätte. Aber das war nicht mein Ding. Und meine Eltern haben mich nicht unter Druck gesetzt.

DHB: Sie hatten Glück, bekamen eine Lehrstelle als KFZ-Mechaniker.

Peer Gossert: Das können Sie laut sagen. Ich war wirklich glücklich als ich im Kraftfahrzeuginstandsetzungsbetrieb (KIB) in Rehfelde eine Lehrstelle bekam. Als KFZ-Mechaniker warst Du in der DDR ja wer. In der Lehre reparierten wir dortallerdings vor allem LKW. Nach der Lehre aber kam ich dann in eine PGH. Über zehn Jahre schraubte ich dort, baute Karosserien neu auf. 1987 machte ich dann dort auch meinen Meister für Kfz-Instandsetzung
„Ich sah in der Wende vor allem die Möglichkeiten“

DHB: Und wie kamen Sie zum Lack?

Peer Gossert: Na ja. Wir haben ja nicht nur geschraubt. In der DDR musste ein Auto laufen, laufen, laufen. Und als Gebrauchtes kostete es meistens mehr als ein neues. Das kann sich heute keiner der Jugendlichen mehr vorstellen. Also haben wir auch gespachtelt was das Zeug hielt. Da war’s zum Lackieren nicht mehr weit.

DHB: Sie haben sich Lackieren also als Autodidakt beigebracht?

Peer Gossert: Lackiertermine waren in der DDR rar. Da waren schon im Januar alle Termine fürs Jahr vergeben. Es blieb nicht aus, dass da auch privat Anfragen kamen: Kanns’te mal. Machs’te mal. Also hab ich dann in meiner Freizeit in meiner Garage angefangen.

DHB: … und offenbar Feuer gefangen.

Peer Gossert: So kann man das sagen. Ich weiß gar nicht, was es war, das mich an der Lackiererei so faszinierte. Heute glaube ich, dass es dieser kreative Moment ist. Die Arbeit mit den Farben, den Nuancen, den Formen, sich vorher im Kopf ein Bild zu machen und das dann Realität werden zu lassen.

DHB: Aber nach drei Jahren änderte sich die Welt der Lacke und Farben auf einen Schlag…

Peer Gossert (lacht): Die ganze Welt änderte sich. Die Mauer fiel. Und während aus dem Westen eine völlig neue Farbenwelle über die Noch-DDR schwappte wurde die PGH umstrukturiert. Plötzlich war ich einer von 32 Gesellschaftern. Ein Theater, das für manchen im Drama endete. Auch ich hätte mich eher ausbezahlen lassen sollen.

DHB: Warum?

Peer Gossert: Aus der PGH wurde eine Gesellschaft, die später in unruhiges Fahrwasser geriet. Wir dachten, es wäre gut Vertragshändler einer großen Automarke zu werden. Die aber wollte keine 32 Gesellschafter. Anteile wurden übertragen, um ihren Wert gestritten. Unschöne Szenen. Freundschaften gingen in die Brüche. Die Unsicherheit war groß. Hinzu kam: Jetzt wollten alle neue Westautos. Keiner ließ mehr eine Karosserie aufbauen. Karosseriebauer waren nicht mehr gefragt. Es waren unruhige Zeiten.

DHB: Und Sie? Wie haben Sie diesen Umbruch erlebt?

Peer Gossert: Vor allem als Füllhorn der Möglichkeiten. Ich war 30 und Brandenburger durch und durch. Viele junge spielten damals schnell mit dem Gedanken wegzugehen, damit man nicht vom Teppich flog, der einem gerade unter den Füßen weggezogen wurde. Das konnte ich mir nicht vorstellen. In dieser Phase wurde ich vom Autohaus Minnich gefragt, ob ich bei ihnen nicht die neue Lackierabteilung aufbauen will.
„Als ich anfing, betrug der Anteil der Lösungsmittel noch 60 Prozent“

DHB: Aber Sie waren doch kein gelernter Lackierer?

Peer Gossert: Nein. Aber es war eine sichere Perspektive in dieser unsicheren Zeit. Also machte ich die zweite Meisterprüfung. Das war echt eine harte Nuss. Denn es erfolgte parallel zur Arbeit. Und alles war neu. Plötzlich waren da ja Lacke, Farben und Lösungsmittel, die wir in der DDR nicht kannten oder die für uns unerreichbar waren.[/vc_column_text][vc_media_grid grid_id=“vc_gid:1629886361752-989bb878-0544-7″ include=“125279,125280,125281″][vc_column_text]DHB: 1994 machten sie den Meister im Maler- und Lackierhandwerk. Und schon 1995 engagierten Sie sich in der Meisterprüfungskommission dieses Gewerks. Warum?

Peer Gossert: Schon damals wollte ich was verändern, in der Ausbildung ein Gleichgewicht herstellen. In der Meisterausbildung hatte ich das Gefühl, dass man die Fertigkeiten des Malers damals höher gewichtete, als die fachspezifischen Kompetenzen des Lackierers. Inzwischen ist die Balance besser.

DHB: Sie haben schon zeitig in Ihrem Berufsleben mit Lehrlingen zu tun gehabt und als Meister auch ausgebildet. Warum entschlossen Sie sich dann ganz in die Ausbildung zu gehen?

Peer Gossert: Schon während der Meisterausbildung war ich gefragt worden, ob ich mir vorstellen könne, als Ausbilder zu arbeiten. Aber damals hatte ich das Gefühl, noch nicht genügend Lackiererfahrung zu haben. Nach weiteren sieben Jahren Praxiserfahrung im Lackierhandwerk glaubte ich, genug zu können und zu wissen, um diesen Schritt zu gehen.

DHB: Wie viele andere Branchen hat das Maler- und Lackierhandwerk in diesen Jahren eine Revolution erlebt. Wenn ich vor einem Regal im Baumarkt stehe bin ich erschlagen von der Fülle an Farben und Lacken…

Peer Gossert: Die größte Revolution war sicher die umwelttechnische Entwicklung wasserbasierter Lacke. Da musste man immer mit der Zeit gehen. Als ich vor 30 Jahren mit dem Lackieren anfing betrug der Anteil der Lösungsmittel in Lacken noch bis zu 60 Prozent. Heute sind es vielleicht acht bis zwölf Prozent. Als Maler und Lackierer lernst du nie aus. Du brauchst ein Gespür für Ästhetik, für den Untergrund, den Einsatzort. All das ist wichtig. Bei uns im Ausbildungszentrum haben wir konsequent auf Lacke und Farben umgestellt, die allen Anforderungen des Umweltschutzes genügen. Das war mir von Beginn an wichtig, dass wir da up-to-date sind. Und das wollen wir den jungen Leuten auch vermitteln.
„Wir müssen erklären, warum deutsche Handwerker weltweit geschätzt sind“

DHB: Sie sind jetzt seit fast 20 Jahren Ausbilder. Was fasziniert Sie bis heute an diesem Job?

Peer Gossert: Das ich Werdegänge verfolgen kann. Erst hast Du einen Lehrling vor dir. Und irgendwann später sitzt er dann als Meisterschüler vor Dir. Du siehst, wie diese jungen Menschen sich entwickelt, die eigene Firmen haben, Firmen die funktionieren. Manchmal sind das Entwicklungen, die du selbst so vielleicht gar nicht für möglich gehalten hast. Doch dieser junge Mann oder diese junge Frau sind dabeigeblieben. Und du weißt, du hast deinen Anteil daran. Das ist ein Gefühl, das sich schwer in Worte fassen lässt.

DHB: Stolz?

Peer Gossert: Ja, vielleicht. Aber ich glaube, es ist noch mehr als das.

DHB: Was?

Peer Gossert (überlegt lange): Es geht ja nicht nur darum, einen oder zwei gute Lackierer auszubilden. Ich frage mich immer, was machen wir hier als Ausbilder eigentlich? Und dann frage ich mich, wieso ist es eigentlich noch immer so, dassdeutsche Handwerker überall auf der Welt gefragt sind?

DHB: Und was ist Ihre Antwort?

Peer Gossert: Wenn es um Handwerkerehre und Handwerkerstolz geht, dann dürfen wir nicht nur Fachwissen vermitteln, sondern müssen den jungen Leuten auch erklären, wie das deutsche Handwerk zu diesem Ruf gekommen ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass es neben den Tugenden wie Fleiß und Zuverlässigkeit dafür nur eine weitere Erklärung gibt: Es ist die einzigartige Form der praxisbezoMark-André Krügergenen dualen Ausbildung in Deutschland. Wenn wir da die Axt ansetzen würden, wäre es schnell vorbei mit unserem Ruf in der Welt.

DHB: Will denn jemand die Axt ansetzen? Und an was?

Peer Gossert: Zumindest habe ich immer wieder mal das Gefühl, dass versucht wird, Lehrinhalte aufzuweichen mit dem Ziel, sie an den Zeitgeist anzupassen oder den jungen Leuten die Ausbildung zu erleichtern. Ich glaube, es ist unsere Verantwortung als Ausbilder, Wege zu finden, auch komplizierte Dinge verständlich zu erklären, spannend zu machen und möglichst viele für die Neuerungen in ihrem Handwerk zu begeistern.

DHB: Wie machen Sie das?

Peer Gossert: Es fängt damit an, dass man in der Ausbildung die Voraussetzungen schaffen muss, stets auf dem neuesten Stand der Technik zu sein. Vielleicht besser als mancher Betrieb. Das weckt Neugierde auf die Ausbildung. Wir sind da Gott sei Dank gut aufgestellt. Wir haben hier in Hennickendorf geradezu aufgerüstet. Wir haben in eine neue Mischbank investiert, neue Farbtonmesstechnik angeschafft, komplett auf wasserbasierte Lacke umgestellt. Wir haben einen der modernsten Lackiersimulatoren. Mit ihm hat man mit 0% Emission! vielfältige Möglichkeiten das Lackieren zu trainieren. Alles, was das Umwelt know-how hergibt erlebt die „Greta-Generation“ bei uns in der Ausbildung.
„Immer öfter begegne ich Lehrlingen, denen es schwerfällt eigenes Unvermögen zu erkennen“

DHB: Wann fühlt man sich als Ausbilder machtlos?

Peer Gossert: Wenn Lehrlinge nicht die Mindestvoraussetzungen mitbringen und ich gezwungen bin Grundzusammenhänge zu erklären. Dann wird es schwer. Und ich gestehe, dass ich mich oft frage, was läuft da vor der Berufsausbildung in unseren Schulen schief.

DHB: Welche Veränderungen an den Generationen sind für Sie die auffälligsten?

Peer Gossert: Es fällt mir schwer mit Verallgemeinerungen zu arbeiten. Sagen wir mal so, es gibt immer weniger „Langstreckenläufer“. Dafür begegne ich immer öfter Auszubildenden, denen es schwerfällt, das eigene Unvermögen zu erkennen, die aber gleichzeitig mehr Lob für wenig Leistung einfordern.

DHB: Woran liegt das?

Peer Gossert: In einem gewissen Maß auch mit an den Ausbildungsbetrieben. Es gibt Ausbildungsbetriebe und Betriebe mit Ausbildung.

DHB: Wie darf ich das Verstehen?

Peer Gossert: Sagen wir mal so. Bei der einen Sorte hat man verstanden, welche Verantwortung man übernimmt, wenn man ausbildet. Das Auszubildende eben keine zusätzlichen Arbeitskräfte sind, mit denen man Lücken stopft. Von der anderen Sorte kommen dann Auszubildende, von denen ich dann höre: so wie sie mir das hier zeigen, hat mir das noch keiner gezeigt. Ich hatte Auszubildende im 3. Lehrjahr, die hatten noch nie eine Fahrzeugtür komplett lackiert. Zur dualen Ausbildung gehört eben nicht nur die Ausbildungseinrichtung, sondern auch der Betrieb. Ich wundere mich immer wieder, dass es bei dem heutigen Lehrlingsmangel noch Betriebe gibt, die so fahrlässig mit ihrem Fachkräftenachwuchs umgehen.

DHB: Was ist für Sie ein guter Azubi?

Peer Gossert: Junge Leute, die aufmerksam sind und mit Bedacht und Umsicht Aufgaben lösen können.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/3″][cq_vc_employee name=“schwanitz“][vc_row_inner][vc_column_inner][vc_single_image image=“125283″ img_size=“large“ onclick=“custom_link“ link=“/deutsches-handwerksblatt-hwk-frankfurt-oder-region-ostbrandenburg/“ css=“.vc_custom_1629886816934{margin-bottom: 0px !important;padding-top: 2em !important;padding-bottom: 0px !important;}“][vc_message icon_fontawesome=“fa fa-arrow-circle-right“]Erschienen im Deutschen Handwerksblatt 07/08-2021[/vc_message][/vc_column_inner][/vc_row_inner][/vc_column][/vc_row]